Alles - nur nicht die "heile Welt"
Harma – Regina Rieth lockt nicht mit "Blümchenbildern",
sondern mit aktuellen und meist ernsten Themen.
Einen zweiten Blick riskieren, erst dann erkennt man, was hinter den Bildern steckt.
Wer sich das nicht traut, ist bei den Bildern von Harma-Regina Rieth an der falschen Adresse.
In ihren Werken thematisiert sie nicht nur blühende Landschaften, romantische Sonnenuntergänge und fröhliche Menschen. Sie will das zum Ausdruck bringen, was ihr selbst am Herzen liegt. Wer sich in ihrem Atelier umschaut, für den kann es ungemütlich werden. An der einen Stelle begegnet man dem hungernden Kind aus Sarayevo, an einer anderen den Marionetten einer Führungspersönlichkeit und zum Schluss erahnen wir den befreienden Schrei eines gefesselten Mannes.
Die Themenpalette reicht von Hunger und Krieg, über Krankheit und Umweltzerstörung bis hin zu Ängsten und manchmal auch Hoffnung. Mit ihren selbst ausgewählten Themen passt sie sich keinesfalls an. Sie weckt auf, hält den Spiegel vor, zerstört die Seifenblasen um uns herum und bildet die Realität in ausdrucksstarken Formen, Größen und Farben ab.
So zum Beispiel die vier spielenden Kinder im Sandkasten - eigentlich eine nette Sache. Blickt man etwas genauer hin, muss man erkennen, dass die Kinder nicht nur hübsche Rüschenkleidchen, sondern auch Gasmasken tragen - Tschernobyl ist nah, und " trotzdem lernen wir Menschen nichts dazu", sagt sich die Künstlerin. Die Unbekümmertheit der Kinder scheint durch die Naturkatastrophe noch nicht "ausgerottet" zu sein, aber ringsum liegt radioaktives Material, verseuchte Fische, dürre Äste zäunen den Sandkasten, und zum Atmen bleibt nur schlechte Luft.
Ein anderes Werk der Malerin zeigt die lenkende Hand.
Und wieder sehen wir kein "Harmonie - bedürftiges Bild", denn die Hand lenkt nicht nur, sie macht vielmehr Marionetten aus den Menschen.
Vom "blutenden Himmel" herab erstreckt sich eine Hand mit roten Fäden. An jedem einzelnen "baumelt" eine gequälte Kreatur. Ob Kind oder Erwachsener, Mann oder Frau: das Denken und Handeln wird gesteuert. "Ihr Dasein wird so oft in Kriegsstrategien mit eingebunden", erklärt die Malerin die Idee hinter dem Bild. Der Einzelne mit seinen Ängsten wird dabei von den Strategen vergessen. Zurück bleiben zerstörte Seelen, die wie auch im Bild nur Gedanken verloren aus dem roten Nichts in eine düstere Zukunft blicken.
Der "Mann in Schwarz" in einem anderen Bild der Malerin ballt wut- entbrannt die Fäuste, schreit sich die Seele aus dem Leib und bringt den eng geschnallten Gürtel zum Zerreißen. Das Bild stellt die Situation für so manch einen Betrachter so real dar, dass man fast hören kann wie der zuvor unbefreite Mann schreit. Er hat genug: die Räder der Zeit sind lange genug gelaufen, ohne dass er etwas getan hat, genug um ihn herum verpestet. Er hat auch genug von den Menschen, die nur hinterhertraben und keine eigene Meinung haben.
Das alles sind Bilder, die nicht erst im letzten Jahr entstanden sind. Bereits im Grundschulalter wurde Harma-Regina Rieth zur jungen Künstlerin. Die beschriebenen Werke allerdings stammen aus den vergangenen zehn Jahren.
Doch ein Datum brauchen sie meiner Meinung nach nicht. Ihre Beständigkeit ist auch heute noch gegeben. Denkt man nur an die Unruhe im Irak, das Tankerunglück vor Spaniens Küste oder das Individuum, das in unruhigen und wirtschaftlich schwierigen Zeiten am liebsten ausbrechen würde.
Doch denken wir auch daran, dass es immer noch genügend gibt, die - so wie die Künstlerin - die unschönen Dinge sehen und dagegen angehen, sei es, indem sie gegen einen möglichen Irak-Krieg protestieren, indem sie öl- verklebte Vögel am Meeresufer retten oder indem sie einem anderen Menschen in schwierigen Zeiten zur Seite stehen. Auch die Künstlerin hat schon lange ihren Weg gefunden. In diesem Sinne geben die Bilder der Fischbacherin Anstoß zum Nachdenken und – machen.
Kerstin Dillmann, Jounalistin
Idar-Oberstein 2003