In Arbeit "Tita" ...
Titas Geschichte spielt in Zauberfeld. Sie ist 2007 entsanden. Zwischen dem Bilder malen -
schreibe ich kleine Geschichten. Bild und Text © Harma-Regina Rieth
I.
Tita geliebtes Hexlein
Lautes Geschrei drang aus nicht allzu weiter Ferne geradewegs vom anderen Endes des Dorfes genau mit dem Elfuhrglockenschlag der kleinen Kirche an Tasslan Ohr, als er gerade mit seinem Arm wiederholt weit zum rhythmischen Schlag ausholte und zusammen mit dem letzten hellen Klang der Glocke gezielt mit seinem bleischweren Hammer auf das vor ihm auf dem Ambos liegenden Hufeisen gekonnt einschlug, so dass der dumpf-eiserne Klang seines Aufschlages zeitgleich mit der hell klingenden Kirchenglocke ertönte. Seine Hemdsärmel schienen zu zerreißen, als sich Tasslans Armmuskeln unter dem Stoff beim Schlag spannten. Glutrot war das Hufeisen, das kurz zuvor noch in der glühenden Holzkohle der Feuerstelle gelegen hatte, und nun beim Aufschlag des schweren Hammers spritzten die Eisenfunken in alle Richtungen in den halbdunklen Raum der Schmiede und ergaben einen bizarren Anblick. Der Funkenflug aus abgeschlagenen rotglühenden kleinen Eisenteilchen erschien wie ein Glutlichter-Tanz tausender kleiner Feuerkobolde.Und mit einem Male beherrschte Tasslan eine bis dahin nie gekannte Unruhe im Innern seines Herzens, die ihn erschaudern ließ, so dass sich die Härchen auf der lederartigen Haut seiner muskulösen Arme und auf seinem Nacken aufstellten. Er wusste nicht, wie ihm geschah, warum sich sein Herz beim letzten Schlag und Klang der Mittagsglocke zusammenzog. Es kam ihm vor, als ob eine Sehne im Inneren seiner Herzkammer reißen und sich ein tiefer Riss mitten durch sein Herz ziehen würde. Die Angst schien das Herz zu sprengen, die Angst frisst mich noch auf, durchfuhr es Tasslan, diese ewige Angst um meine Liebe. Er presste seine Hand auf die Brust und versuchte anschließend mit einem harten Faustschlag sich von seiner inneren Unruhe zu befreien. Ein Trommelwirbel von Faustschlägen folgte, um die Unruhe aus sich zu vertreiben. Seine Lederarmbänder schienen beim Anspannen seiner Armmuskeln und seiner geballten Fäusten zu reißen.Doch da hörte er wieder das seltsame Gekreische!Für einen Moment schien die Zeit für Tasslan in der Schmiede stehen zu bleiben.
Eine trügerische Ruhe folgte, dann wieder Schreie und erneut eine gespenstische Stille, dass man die aufgewirbelten Blätter aus dem angrenzenden Wald fallen hören konnte. Da, in diesem Moment, schien die Erde aufgewühlt zu werden. Ein Luftzug, der eiskalte Luft mit sich mitführte, durchwirbelte gleichzeitig alles, was beweglich war, und zog es wie in einem Strudel mit sich fort.
Der aufgebrachte Wind heulte gequält durch die Straßen und Gassen.
Oder empfand und hörte nur er dieses Geschehen, diese Unwirklichkeit so.
Es war alles unwirklich, was da vor sich ging, und Tasslan fing an, sich vor den Gewalten zu ängstigen, die in diesem Augenblick das kleine Dorf heimsuchten.
Tasslan wurde es heiß bei dem Gedanken an das, was sich da zusammenbrauen könnte.
Und die Zeit lief unaufhaltsam weiter und der Wirklichkeit davon.
Das laute Geschrei ging Tasslan, dem starken Mann, durch Mark und Bein.
Seine Arme wurden augenblicklich von einer Gänsehaut überzogen.
Von der Ahnung, nein, von der Gewissheit, dass etwas Fürchterliches geschehen sein muss, nahm erneut die Angst von Tasslan Besitz.
Angestrengt drehte er seinen Kopf in Richtung des Geschreis, sein Ohr versuchte nun, die Richtung, aus dem das Geschrei kam, genau zu orten, um herauszufinden, wo das Böse sich zu treffen schien.
Und der Wind trug das Geschrei unaufhörlich immer lauter an ihn heran.
Das Geschrei ließ Tasslan trotz der Gluthitze, die an der Feuerstelle in seiner Schmiede war, und trotz dieses heißen, bis zu diesem Zeitpunkt herrlich sonnigen Sommertages im Jahre 1575 frösteln.
In dem sonst so idyllischen kleinen Dörfchen Zauberfeld, in dem die Häuser aus gebrochenen und zugehauenen Felsbrocken, aus geschlagenem Schiefergestein und aus flachrunden Hungersteinen gebaut waren, die aus dem angrenzenden, an dem Dörfchen sich vorbei schlängelnden Bächlein Zauber stammten, machte sich Unmut breit.
Die Häuser schienen in der flirrenden heißen Mittagssonne mit ihrem weißen Kalkanstrich und den Dächern, die wie rote aufgesetzte Häubchen aussahen, die aus rot eingefärbten Holzschindeln gefertigt waren, um die Wette zu leuchten.
Die kleinen bescheidenen Häuschen schienen die kleine schmucke Kirche des Dorfes in ihrer Mitte geradewegs zu umzingeln.
Der Ort erschien auf den ersten Blick märchenhaft, da er nicht nur jedem vorbei ziehenden Wanderer einen fast schon traumhaften Anblick bot, sondern auch den fliegenden Händlern, Hausierern und Scherenschleifern, die das Dorf aufsuchten, um ihre Ware feil oder ihre Dienste anzubieten.
Es war so, als wolle das Dorf dich in ein verwunschenes Märchen zurück versetzen, überlegte Tasslan. Ein flüchtiger Gedanke an dieses idyllisch anmutende Dorf, sein Heimatdorf, sein Zauberfelde, durchzuckte ihn. Bildlich wäre dem kleinen Örtchen nichts mehr hinzuzufügen gewesen. Ein Dorf zum Träumen, das an diesem Sommertag jäh aus dem Traum gerissen wurde. Das traumhafte Bild schien sich aufzulösen.
*
Der Eindruck dieser heilen Welt schien mit der flirrenden Mittagshitze zu korrelieren und an diesem Tag sogar miteinander zu verschmelzen, wäre da nicht wieder beim letzten hellen Glockenklang und Hammerschlag auf den Ambos urplötzlich dieses ohrenbetäubende, kreischende, fluchende, wüste Geschrei gewesen, das die Ruhe laut schallend gefolgt von unzähligen menschlichen Echos durchriss.
Ein kalter Luftsog von Menschen zog jetzt durch die Straßen und alle, die dies hörten, schienen von dem Sog mitgerissen zu werden.
Voller Neugier versuchten sie schneller als der Wind zu sein.
*
Hier und da sah man beim Durchlaufen der Gassen und Wege vereinzelte Rauchsäulen aus den Kaminen, was unwiderruflich auf die Mittagszeit schließen ließ. Da roch es nach gekochtem Rotkohl, Bratkartoffeln, gebratenen Kaninchen und nach Arme- Ritter, einer einfachen, jedoch sehr schmackhaften Süßspeise, die köstlich nach Zimt duftete. Der Duft der Speisen zog wohlriechend durch die verwinkelten Gassen, aber sie vermochten jedoch nicht vom wüsten Geschrei abzulenken.
Ja, in diesem Augenblick nahm niemand die wohl duftenden Gerüche der Mittagsspeisen wahr, die in den gusseisernen Töpfen und Pfannen kochten oder brutzelten, die auf den mit Buchenholzscheiten befeuerten Öfen standen. Die Buchenholzscheite lagerten übers Jahr bis zu ihrem feurigen Verbrauch akkurat gestapelt vor den Häusern in Zauberfelde dem kleinen Ort der Kräuterdüfte.
*
Jeder, der diese aufgebrachten Schreie hörte, machte sich augenblicklich mit schnellen Schritten hastig in Richtung der Schreie, die unüberhörbar zu vernehmen waren, auf den Weg. Dem Gesinde aus Knechten und Mägden folgte die ebenso neugierige Herrschaft aus Bauern und Bäuerinnen. Sie alle rannten wie die Besessenen den aufgebrachten Schreien entgegen.
In diesen Minuten köchelte und brodelte alles, die Speisen und Gerichte auf den Öfen und die Menschen des kleinen, ansonsten so beschaulichen, malerisch hübsch gelegenen, kleinen und stillen, abseits gelegenen Örtchens Zauberfeld, der kleine Ort, der eingebettet zwischen den umliegenden verführerisch duftenden, fast schon die Sinne betäubenden Kräuterwiesen lag.
*
Es war dieser herrliche Duft, den Tasslan so gerne einatmete, und der ihn an wunderschöne Abende in trauter Zweisamkeit erinnerte, an diese Kräuterwiesen und ihre Geheimnisse.
Die gut gehüteten Geheimnise und das Wissen um die heilende Wirkung der Kräuter wurden ihm in nächtlichen Zusammenkünften von seiner Liebsten offenbart.
Obwohl die Kräuterkunde Tasslan anvertraut und veranschaulicht worden war, wollte er in diesem Moment nichts mehr davon wissen, er schob den Gedanken daran hastig zur Seite, da jetzt wohl das Übel der Kräuter- und Heilkunst folgenschwer hervor bringen würde, was sonst eher im Verborgenen geschah und gor.
„Wie war das noch - ...?", sinnierte Tasslan halblaut.
Er erinnerte sich wieder an seinen gedachten Satz.
Doch er verwarf sofort wieder die Erinnerungen an die nächtlichen Kräuterlehren - doch der Gedanke an Wermut, der angeblich die nächtlichen Heimsuchungen kuriert, durchzuckte Tasslan wieder flüchtig und er fluehte leise und hoffte inständig, dass Wermut auch die Heimsuchungen am Tage fernhalten möge und dass der unbestechliche Duft von Schafgarbe den Menschen hier den Teufel austreiben könne.
Kräuterkunde, Kräuterelixiere, Kräuterrituale und magische Beschwörungen beherrschten seit Monaten seine geheimnisvollen Abende und Nächte. Er hatte in der Vergangenheit viel über heilende und nicht heilende Wirkungen der Kräuter gelernt.
Gesundheit oder Tod bringende Kräuter waren ihm nicht mehr fremd.
*
Er blieb unverhofft mit zögerndem Schritt stehen und fasste sich an sein wild pochendes Herz, das in seiner Brust wieder zu zerspringen drohte.
Ihm war so, als ob ein geschmiedeter Brustreifen, der ihn umschlang, jetzt zu bersten drohte und sein Herz herausbrechen würde.
So war das Gefühl, sein Gefühl, dass sein Herz in diesem Moment das härteste Eisen zu sprengen vermochte, dem Moment seiner Ahnung, seiner Angst.
In wenigen Minuten rotteten sich die Menschen des Dorfes zusammen und die Menschenmenge stürmte zielstrebig an den Platz des Geschehens - des Geschreis.
Dicht an dicht gedrängt keuchten und ächzten die Menschen und schoben sich gegenseitig in die Richtung vor, aus der sie die ohrenbetäubenden Schreie hörten. Tasslan verließ von einer furchtbaren und entsetzlichen Angst getrieben seine Schmiede, folgte ihnen hastig, bis er schließlich mitten unter ihnen war.
*
Und die Erinnerungen an den Traum der letzten Nacht wichen nicht mehr aus seinen Gedanken. Er versuchte den Traum zu verdrängen.
Fassungslos hielt Tasslan seine Händen kurz vor sein Gesicht. Er fühlte den Angstschweiß auf seiner Stirn, in der linken Augenbraue und auf der rechten mit Narben durchzogenen Augenbraue. In seinem Kopf begann sich alles zu drehen. Es konnte doch nicht Wirklichkeit werden, was er letzte Nacht geträumt hatte, dachte er im gleichen Moment.
Doch sein Traum sollte gerade zum Leben erwachen!
Schweißgebadet vor Angst war er kurz vor Mitternacht kurzatmig und äußerst zitterig aus einem unwirklichen Traum vom Bettlager hochgeschnellt. Minutenlang hatte er anschließend in einer zusammengekauerten, in einer Beinumfassenden, sitzenden Stellung auf dem Bettrand verharrt, auf der harten Holzumrandung seines schweren Eichenbettes. Voller Unruhe im wirren Zustand kauernd und wirr starrten auch seine Augen in diesem Moment wie durch eine Maske mit einem unmenschlichen Blick flüsternd fast andächtig stammelte er den Namen Tita!
*
Sein vormals verzauberter Traum in verzauberter Stimmung, in verzauberter Traumwelt in dem er einen weichen anschmiegsamen mädchenhaften Frauenkörper spürte, brach unvermittelt ab und schlug noch während des Träumens ins Gegenteil, in Angst und Furcht um ..., im Moment des Kirchturmgeläuts, zeitgleich mit dem letzten Glockenschlag, was er in diesem Moment als böses Ohmen, als böse Vorahnung empfand.
Der Glaube verbleibt, die Hoffnung wird sterben, durchfuhr es ihn augenblicklich bei diesem mitternächtlichen Schlag der Glocke, die so viel anders klang als sonst am Tage.
Mit verstörtem Blick und unwirklich geweiteten Pupillen, in denen sich noch das geträumte wie in einem Spiegel widerspiegelte, kroch schleichend die Angst in ihm empor, die Angst um seine geliebte Tita.
Gespenstische Sekunden wurden zu gefühlten unheimlichen gespenstischen Stunden.
Das unwirklich dumpfe Geräusch des Glockenschlages verhieß nichts Gutes, da war er sich sicher.
Dieses ungute Gefühl ließ Tasslan nicht mehr einschlafen.
Er lag wie im Dämmerschlaf, halb schlafend, halb wachend, nicht mehr träumend bis zum Morgengrauen wie auf einer Totenbahre ... es graute ihn vor diesem kommenden Tag.
Und er war gekommen der Tag.
Heute wird es geschehen, das geträumte Elend ... um seine große Liebe, um seine geliebte Tita.
Das Entsetzen nahm Besitz von Tasslans Gedanken, nur die Meute neben ihm grölte begeistert weiter.
Tasslans Wettlauf um Tita begann ...
II.
Tasslans Wettlauf um seine geliebte Tita ...
Der Weg bis zur Dorfmitte erschien Tasslan schier endlos.
Tasslan war sich sicher, dass die grellen Schreie unweit des Marktplatzes kamen.
Da musste er nicht spekulieren. Er wusste es einfach! Aus seinem Traum der letzten Nacht.
Direkt aus der Mitte des bis zu diesem Zeitpunkt kleinen, verwunschen wirkenden Dörfchens Zauberfeld, genau da kam das Geschrei her, braute sich das Böse zusammen. Es gor in allen Gassen.
Das Böse wucherte auch Tasslan durch die Gassen entgegen.
Es suchte seine Vollstrecker, das Böse war auf der Suche nach der ausführenden Gewalt.
Das Unheil lag förmlich in der Luft.
*
Eine gefährliche Ruhe kurz vor …, ja, vor was…, es wird sich zeigen - was am heutigen Tage noch passiert, durchfuhr es Tasslan. Eines war sicher, scheinbar wurde schon wieder ein Sündenbock gesucht - für was auch immer …
Der Angstgedanke wog schwer auf seiner Seele und schien ihn fast zu erdrücken.
Und das Ungewisse, das letztendlich geschehen wird, war zum Greifen nahe.
Erst in diesem Moment vermisste Tasslan etwas und es bedurfte des längeren Nachdenkens, bis er endlich darauf kam, was ihm an diesem Vormittag fehlte, es fehlte Ories alltäglicher Morgengruß aus dem Taubenschlag.
Es war das allmorgendliche Gurren seiner Taube Ories im Taubenschlag über der Schmiede, ja, das melodische Gurren, das Tasslan vermisste, das morgendliche Kröpfchengegurgel seiner Taube Ories.
*
Wiederholte Schreie durchbrachen erneut die Mittagsruhe, wie in seinem Traum.
Erneute Angst und eine schon gekannte Unruhe machte sich seit letzter Nacht verstärkt in Tasslans ganzem Körper breit. Ein schier unmögliches Gebrüll schallte von Hauswand zu Hauswand und schien sich in Schall und Klang zu überschlagen. Bis in seine gekräuselten Haarspitzen stieg nun die Angst um seine geliebte Tita in ihm empor. Ich darf sie nicht verlieren, sie gehört zu mir, ich kann ohne sie nicht weiterleben, durchströmten Tasslan ungeheure Verlustängste, seine Gedanken waren bei Tita.
Er fühlte in diesem Augenblick die zärtlichen Blicke vom Vorabend und die Liebkosungen, die ihn im Wettlauf um seine Liebste neue Kraft schöpfen ließen. Die Begehrlichkeit nach Menschen und anderen Dingen war Tasslan eigentlich fremd gewesen, bis er vor Monaten Tita zum ersten Mal erblickte.
Nach dem Tode seiner Eltern kämpfte er zeitweise mit den Dämonen der Verlassenheit. Die Verlassenheit war schon fast zu seinem eigenen ich geworden. Und jetzt beschlichen ihn wieder Verlustängste und die Gedanken an eine künftige Leere in seinem Leben. Einer erneuten Verlassenheit könnte er nicht noch mal entgegenwirken.
Oder doch, war es nicht reine Willenskraft, die er nur in die Tat umsetzen müsste.
*
Der Kampf und Wettlauf um seine Liebste sollte beginnen ...
Als wenn ihn nicht schon die letzten Tage eine Vorahnung beschlichen hätte, fühlte er in diesem Moment, dass diese Vorahnungen gerade jetzt Wirklichkeit werden, dass sich sein Traum heute in der Wirklichkeit wieder finden und erwachen wird - zum Leben erwachen wird, dass er den Traum nunmehr real erlebt.
Ein eiskalter Schauder überlief ihn, der ihn fast erstarren ließ … und wieder ein Erschaudern, gefolgt von Kälte und Frösteln, sein Körper wusste nicht mehr, was sich in ihm abspielte - was in ihm geschah.
Eine Furcht überkam ihn, die er noch nicht ein - oder vielmehr zuordnen konnte.
Ihm war, als ob ein Vulkan auf Eis treffen würde, Hitze und Kälte durchfluteten mit ihrer Gegensätzlichkeit seinen ganzen Körper, gleich einem glutroten Eisenstück, das ins Wasser getaucht wird…
Jetzt hoffte Tasslan, dass sein Körper diese enorme Belastung aushalten könne.
Seine gekräuselten schwarzen Nackenhaare verselbständigten sich in diesem Gefühlschaos und standen ihm jetzt im Nacken so zu Berge, dass sie seinen braunen Filzhut mit der breiten Krempe fast schon von seinem kantigen Kopf hochzuheben schienen.
Doch dann …, Tasslan dreht um.
Ich muss zurück, sprach er zu sich selber.
Tasslan rannte wieder zurück zur Schmiede, um sie zu verriegeln, denn dies hatte er beim ersten Geschrei in der Aufregung vergessen.
Er befürchtete, dass man ihm seine geschmiedeten und unter großer Anstrengung bearbeiteten Gebrauchswerkzeuge wie Schwerter und Messer stehlen könnte. Man sollte jetzt bei dieser, ganzen Aufruhr im Dorf nicht die Gelegenheit nutzen können, ihn, den Dorfschmied, zu bestehlen.
Da ja Gelegenheit bekanntlich Diebe macht, wollte er vorbeugen und die Schmiede schnell verriegeln. Den Schwert- und Äxtepfleger sollte man nicht bestehlen.
Bei dem Gedanken an Axt und Äxte schob er eine für ihn sehr schmerzlichen Erinnerung, die er vor vielen Monaten gemacht hatte, schnell weit von sich, und verbannte sie aus seinen Gedanken.
Ja, in diesem schmerzlichen Moment der Erinnerung wollte er nicht an die Zeit von vor Monaten denken, als er das Gefühl hatte, dass ihm sein Hirn vor Schmerz ausdörren und zerfallen würde.
Als die Erinnerungen allzu schmerzlich zum wiederholten Male in ihm hochkrochten, verdrängte er sie genauso schnell, wie sie sich gezeigt hatten …
Die folgenschwere Bearbeitung einer Axt haftet noch immer in seinem Innern.
Es durchzuckten ihn in diesem Augenblick tausende kleine Nervenströme in seiner linken geschädigten Gesichthälfte und deren Gesichtsmuskeln zogen sich sofort schmerzvoll zusammen.
Er spürte und vernahm die Reaktion seiner Gesichtsmuskeln angstvoll und warnend zugleich.
*
Schnell, schnell, dachte Tasslan.
Er warf seine Lederschürze, die er noch immer locker um die Hüfte gebunden trug, hastig in die Ecke der Schmiede auf sein Bettlager, weil sie beim Wettlauf um Tita hinderlich sein würde. Denn im schnellen Laufschritt flatterte sie zu beschwerlich um seine Beine herum.
Diese nun neu gewonnene Beinfreiheit sollte sich noch von großem Nutzen erweisen. Die Lederschürze wie auch Tasslan selbst waren von seiner schweren Arbeit, dem Schmiedehandwerk, gezeichnet.
Auf die grob gewebte Schlafdecke hatte er gezielt, doch sie landete auf dem kleinen dreibeinigen Eichenschemel in dem spärlich ausgestatteten Schlafraum der Schmiede.
Der Staub auf dem Boden der Eichendielen wirbelte hoch und die wenigen Sonnenstrahlen, die durch das kleine Fenster schienen, wirkten plötzlich eigenartig matt. Ebenso hastig schüttete er aus dem immer gefüllten Ledereimer das Wasser in die noch züngelnden Flammen des Feuers seiner Feuerstelle, seiner Arbeits- und Wirkungsstelle, die mit schweren Felsblöcken in der Mitte der Schmiede eingefasst war, in der Mitte seiner bescheidenen Behausung, seiner Wirkungs- und Lebensstätte. Die Flammen loderten noch ein letztes Mal in der Feuerstelle auf, bevor sie endgültig erloschen.
Ein Aschedunstnebel stieg aus der zuvor gut geschürten glühend heißen Feuerstelle hoch und in der glutheißen Feuerstelle verdunstete zischend das Löschwasser.
*
Bis zum Ertönen der wilden grellen Schreie war eigentlich im beschaulichen Zauberfeld alles in Ordnung gewesen, durchfuhr es Tasslan nochmals flüchtig.
Er fühlte in diesem Moment in seiner Rocktasche den kleinen geflochtenen Doppelring aus Eisen. Heute wollte er den Ring Tita geben und sie bitten, ihn zum Manne zu nehmen.
Da bedurfte es keines Liebestrankes aus Borretsch, um ihn zu berauschen, und
keines besonderen Duftes, um ihn zu benebeln.
Er war ganz klar in seiner Entscheidung … er wollte Tita zur Frau, er wünschte sich, sie an seiner Seite zu haben. Noch am gestrigen Abend, vor wenigen Stunden, schien sein Herz fast vor Glück zu zerspringen, er erfuhr die glücklichsten Momente seines Lebens. Und jetzt, jetzt kamen vielleicht die schlimmsten Momente seines Lebens. Ein unheimliches Verlangen und eine unbändige Begierde nach Tita durchfluteten seinen Geist und seinen Körper, und ist aus Tasslans Gedankenwelt nun nicht mehr zu verdrängen.
Der Ring brannte in seiner Rocktasche. Die während der Bearbeitung des frisch geformten Ringes erloschene Gluthitze schien wieder aufzulodern und nachzuglühen. Bei dem Gedanken an ihre gemeinsame Liebe und der feurigen Bearbeitung des Ringes um Mitternacht, vor seinem Unheil verheißenden Traum.
Hatte er dies alles herauf beschworen mit seiner Liebe zu Tita? Nein, er trug keine Schuld an den kommenden Geschehen. Es war eine höhere Macht.
Er sprach sich frei von jeglicher Schuld, er war lediglich der Liebende, der eine junge Frau, seine geliebte Tita, anbetete, sein Edelstein…
Tita, rein wie ihr Bergkristall. Den sie um den Hals, an einem Lederband trug. Über Generationen wurde dieser ungewöhnliche Stein und seine geheimnisvolle Kraft, in ihrer Familie weitergegeben.
Das war eine kleine Leseprobe, Fortsetzung folgt ...
DANKE, für Deinen Besuch auf meiner TITA Seite.