Harma Regina Rieth

BilderBogen

Meine Kunst

Mein Leben

Harma *Stille und Einsamkeit*

WinterHauch II

Leseprobe

WinterHauch 1a Winterhauch 2010 1a

Einsames Herz in der WinterHauch

Ein heftiger Windstoß ließ die alten morschen Fensterläden
mehrfach, dumpf, ungeachtet der verwitterten und
schadhaften Sandsteine, gegen die Hauswand schlagen.
Das Geräusch hallte in der Stille des Waldes mehrfach
nach, und das laute, klappernde Geräusch der Fensterläden
übertönte das grässliche Pfeifen des Windes. In diesem
Moment, in dieser, wie es schien verwunschenen
Einsamkeit, rieselte der Sand der Sandsteine aus den
Mauerfugen und vermischte sich mit den heran stürmenden
Schneeflocken, und sie wurden eins ...
Schnee wirbelte weiter ungestüm durch die Luft, und die
klirrende Kälte der letzten Nacht ließ die Bewohner selbst
im warmen Inneren des kleinen Häuschens frösteln. Der
kalte Winter fraß sich schon seit Tagen erbarmungslos
und hungrig durch das bislang vor der Haustür reichlich
gestapelte Kaminholz. Der alte aus Backsteinen gemauerte
Kamin beteiligte sich natürlich auch ordentlich am
Holzfraß und röchelte jetzt jedoch nur noch zaghaft Ruß
und Qualm ins Freie, um die Wärme wohl etwas länger im
Haus zu halten. Das Holz wurde täglich immer weniger,
und der Vorrat würde in absehbarer Zeit sein Ende erreicht
haben. Dieser nicht erfreuliche Umstand und die schon
lang andauernde Kälte des Winters ließen die Bewohner
auf eine hoffentlich bald mildere Temperatur in der Winterhauch
hoffen. Die Fensterscheiben waren undurchsichtig –

durch ihr milchiges Weiß ließen sie nur bedingt Licht in das Innere
des alten Häuschens. Man erkannte erst auf den zweiten
Blick, dass es der Schnee war, der sich draußen an die
Hüttenwand lehnte und sich daran festzuhalten schien.
Nur noch das letzte Viertel der Glasscheibe war frei und
durchsichtig.
Umspielt von Millionen herumwirbelnden und tanzenden
Schneeflocken, die wie Kristalle in der Mittagssonne glitzernd
funkelten, konnte man nur noch vage ein Stückchen
vom Himmel erkennen. Jeder einzelne Lichtstrahl hatte
dadurch große Mühe ins Innere des Hauses zu gelangen.
Und alle herumwirbelnden Schneeflocken schienen zu
versuchen, sich im kalten Wirbelsturm aus dem Strudel
des Windes zu befreien und sich an der alten brüchigen
sandsteinernen Hauswand festzukrallen. In allen Mauerritzen
pustete der Windsturm die tanzenden Schneeflocken
und unterbrach damit nur kurz das ungestüme
heftige Schneetreiben.

Ein Hauch Schwermut

Mit einem Mal war ein seltsames eigenartiges Röcheln
und Seufzen aus dem Innern der kleinen Hütte bis nach
außen zu vernehmen. Das Geräusch erfüllte wiederholt
den kargen Raum bis zur Haustür und drang weiter nach
außen in die Stille des Waldes ...
Es war, als ob ein Atemzug unter größter Anstrengung
eine Lunge verlassen würde, ein leises Aufstöhnen folgte
dem lauten Röcheln im stetigen Wechsel aus der hintersten
Ecke des Raumes. Ein Hauch von Schwermut lag in
der Luft des halbdunklen Raumes.
Das plötzliche Rascheln einer dicken Bettdecke folgte nun
dem seltsamen Röcheln des Atems, dann ein jämmerliches
leises Husten gefolgt von einem lauten Nasenschniefen.
Dem röchelnden hustenden Geräusch folgte ein leiser
Seufzer, dann war wieder diese eigenartige Spannung in
der Luft, eine plötzlich unheimliche Stille lag über dem
Raum und im angrenzenden Wald.
Zwei fahrige, faltige, alte, welke Hände verkrampften sich
bei jedem beängstigenden, immer leiser werdenden röchelnden
Geräusch zittrig ineinander.
Einen festen Halt suchend, tasteten sich die Hände nun
in die alte schwere Daunendecke. Sie umschlossen diese
immer fester und klammerten sich fast hilfesuchend darin
fest. Sie strichen dann die Bettdecke leise aufstöhnend
andächtig und zaghaft glatt, falteten sich ineinander, fast
schon wie zum Gebet.
Zögerlich und unter schwerster Anstrengung zog nun die
alte Frau, die im dunklen Eichenbett lag, das in einer
dunklen Zimmernische versteckt stand, die grobe und
schwere Daunendecke zu sich.
Immer höher, fast bis über beide Ohren, zog sie die alte,
ausgelaugte und erkaltete Daunendecke.
„Die Jahre, in denen die Decke einmal den Körper gewärmt
hatte, sind lange schon vorbei", murmelte sie klagend
vor sich hin.
„Nichts währt ewig", setzte sie den klagenden Worten
noch leise aufstöhnend und seufzend hinzu ...
Sie betrachtete den verblichenen Deckenbezug aus ihren
zusammengekniffenen schrumpligen Äuglein und tastete
weitersuchend jetzt nach ihrem alten Wollteppich.
„Auch er hat schon bessere Jahre gesehen", flüsterte sie,
als sie die Löcher im Teppich mit ihren knöchernen Finger
ertastete und erfühlte.
„Alles ist alt und brüchig, das Haus, mein Bettlager, und
ich ebenso wie der ganze Rest der Einrichtung hier",
sprach sie gedankenverloren, den Kopf leicht schüttelnd,
während sie in den kalten Raum blickte. Gedankenverloren
hielt sie inne, die Sprache versagte ihr plötzlich unverhofft
die Dienste, kein Wort und keine Silbe verließ ihre
ausgetrocknete Kehle.

Weißes Kätzchen

In diesem Moment sprang aus dem alten verschlissenen
Ohrensessel, an dem sich schon die ehemals bunte und
herrlich blumige Stoffbespannung gelöst hatte, eine kleines
weißes Kätzchen.
Es hatte einen sternartigen schwarzen Fleck auf der Stirn.
Am Köpfchen stellten sich sogleich neugierig lauschend
ein weißes und ein schwarzes Ohr hoch, was einen sehr
eigenwilligen Kontrast zu den beiden verschiedenfarbenen
Augen darstellte. Ein blaues und ein gelbes Auge
schauten neugierig auf das Geschehen, und eine
schwarze Schwanzspitze streifte wedelnd, ganz vorsichtig
und zart, fast spielerisch über den alten Ohrensessel.
Das solchermaßen einzigartig von der Natur bedachte
Kätzchen sah die Bewegungen auf der Bettdecke, wie es
schien, als Einladung und Aufforderung zum Spielen an.
Es dehnte seine dünnen Hinterbeinchen so lang, dass
man meinte, sie reichten vom Ohrensessel bis zum Nachtschränkchen,
das direkt neben dem Bett stand. Dann flog
sie sogleich mit einem gekonnten Sprung, fast schon fliegend,
geradezu mit einem Satz aufs Bett, direkt zur alten
Frau.
Mit einem weiteren Satz sprang das kleine Kätzchen zu
den unruhig fuchtelnden Händen. Verspielt drehte es sein
Köpfchen und beobachtete ganz neugierig das eigenartige
Spiel der alten zittrigen Hände ...
Die welken Hände tasteten weiter, sie griffen nun unruhig
in die Richtung, aus dem das leise melodisch schnurrende
Maunzen zu vernehmen war.
Leise und zärtlich flüsterte die schwache gebrechliche
Stimme der Alten dem kleinen Kätzchen liebevolle Worte
zu.
Die Hände strichen wohlwollend über das warme, weiche
kuschelige Fell des Kätzchens.
„Na, Weißchen – das ist dieses Jahr für uns beide ein besonders
harter, kalter, wohl endlos langer Winter! Wir wollen
hoffen, dass wir ihn einigermaßen heil überstehen,
mein kleines Weißchen. Was bin ich froh, dass du bei mir
bist und mir Gesellschaft leistest, ohne dich wäre ich
schon arg einsam hier am Ende des Waldes...
Was meinst du, kleines Weißchen, sollen wir uns noch
einen Topf Rahm vor der Nachtruhe erwärmen und gönnen?
Das würde uns bestimmt gut tun und unsere beiden
armen Seelen vorzüglich laben."
Das kleine Kätzchen drehte das Köpfchen zur Alten und
folgte der Stimme. Es beobachtete die unbeholfenen Bewegungen,
die aus Richtung Bett zu vernehmen waren,
und lauerte auf das weitere Geschehen im Bettlager.
Stöhnend und laut klatschend sich die Hände reibend,
schob sie die Bettdecke zur Seite: „Ach, kleines Weißchen,
mir ist, als ob ich schon längst erfroren wäre, so fühlen
sich meine Gliedmaßen jedenfalls an ..." Wieder sich
die Hände zum Erwärmen reibend, torkelte sie zittrig und
benommen aus dem Bett. Die Knochen sind so steif, dass
sie Mühe hatte, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Mit großen freudig glänzenden, schwarzen Kulleraugen
sah Klein-Weißchen die Alte forsch und fordernd an.
Es war, als ob es verstanden hätte, was die Alte da sagte.
Mit schräg gehaltenem Köpfchen beobachtete es nun die
alte weißhaarige Frau und folgte jeder ihrer behäbigen Bewegungen.
Es dauerte, bis sich die Alte mühsam weiter aus der Bettdecke
herausgeschält hatte.
Geduldig wartete es auf der Bettdecke sitzend, bis die
Alte endlich aus dem Bett heraus war ...
Das Kätzchen folgte ihr, um die Beine streichend, sogleich
auf dem Fuße. Es sprang an der Alten hoch und
versuchte ihre Hände zu streifen, als ob es eine Streicheleinheit
von der alten Frau einfordern wollte.
Jetzt war die schrumpelige Haut der Hände abermals
ganz deutlich zu erkennen und wiederholt erfolgten die
fahrigen zittrigen Bewegungen der welken Hände. Die
Zartheit, die von ihnen ausging, war wundersam.
Die liebevollen Bewegungen der Hände, die auf der Bettdecke
zuvor noch unruhig hin und her streiften, ließen das
Kätzchen auf die Alte wieder aufmerksam werden, und es
tollte, an ihren Beinen spielend neben ihr. Es wartete geduldig,
bis die Hände sein Köpfchen erreichten und
zärtlich darüber strichen.

Winterblässe und Winterblumen

So schrumpelig wie die Hände der Alten waren, durchzogen
auch viele Furchen das Gesicht der alten Frau. Es
wirkte eingefallen, glanzlos und farblos, die fahle Blässe
und die pergamentartige Haut ließen vermuten, dass sie
schon sehr krank zu sein schien.
Ihre fast lederne, von der Sonne gegerbte Haut wurde jetzt
mit jedem kalten Wintertag immer blasser und immer
durchsichtiger.
Kleine graue Äuglein blinzelten aus faltigen Augenlidern
liebevoll das kleine Kätzchen an. Doch man erkannte sofort,
dass sie schon seit längerer Zeit kränkelte und körperlich
abgebaut hatte.
Ihre zittrigen Hände streichelten immer und immer wieder
voller Hingabe langsam, ganz zärtlich über das flauschige
Fell und den Rücken der kleinen Katze.
Schnurrend dankte ihr das Kätzchen die liebevolle, zärtliche
Geste.
Langsam erhob sich die Alte weiter vom Bett und schaute
sich suchend um und tastet sich weiter unbeholfen in den
Raum.
Mit schlurfenden Schritten bewegte sich die Alte nun nur
noch zeitlupenartig, immer langsamer werdend über die
kalten Eichendielen, geradewegs zum Fenster hin.
Sie hauchte die Fensterscheibe an, ihr schwacher Atem
malte sogleich herrlich bizzare und einzigartige Eisblumen
auf die Glasscheibe.
„Winterblumen", flüsterte sie, „Eisblumen zu meinem Geburtstag,
fast wie in jedem Jahr."
Fröstelnd lächelte sie in sich hinein ...
Die Holzsprossen des Fensters, die all die Jahre der Witterung
ausgesetzt und daher schwer in Mitleidenschaft
gezogen waren, ließen die kalte Luft durch die undichten
Fugen jetzt ungehindert ins Innere der kleinen Hütte
schleichen.
Es schien fast, als ob die Zeit den Fensterkitt weggefressen
hätte, es war absolut kein Krümel Fensterkitt mehr
vorhanden, und die Glasscheiben durch nichts gehalten
im Rahmen stünden.
Oder hielt sie doch etwas? Ja, sie wurden offensichtlich
vom Eis in den alten Holzsprossen gehalten. Das Eis
schien jetzt ihr einziger Halt und der letzte verbindende
Kitt zu sein.
Die alte Frau konnte sich nur schwer auf den Beinen halten,
und jedem Schritt folgte unwillkürlich ein leises Seufzen
und schmerzliches Aufstöhnen.
Der kalte Wind zog dabei durch jede auch noch so kleine
undichte Ritze der alten Hütte. Selbst die alten dicken Tücher
auf der Fensterbank und an der Haustür konnten
nicht verhindern, dass die Stube immer weiter auskühlte.
Die eisige Kälte bahnte sich ihren Weg stetig weiter ins Innere
der bescheidenen Behausung der Alten.
Gnadenlos eroberte die Kälte den Raum und breitete sich
bis in den letzten Winkel der Hütte erbarmungslos aus.
Die Schneeverwehungen draußen blieben unverändert liegen.
Sie hatten längst die Fensterscheiben halbhoch bedeckt,
sodass nur noch ein winziges Eckchen der Alten und dem
Kätzchen erlaubten hinauszusehen.
„Weißchen, Weißchen – das ist wirklich ein besonders
schlimmer Winter dieses Jahr. Hoffentlich schaffen wir es
alleine, hier draußen im Wald den harten Frost zu überleben
und allen weiteren Widrigkeiten des Winters zu überstehen.
Diese nicht enden wollende frostige Winterzeit
macht mir doch arg zu schaffen. Was meinst du, packen
wir beide das, Weißchen?"
So befragte die Alte mit dem kleinen verschmusten Kätzchen
die Zukunft und sich selbst, leise mit dem Kopf
schüttelnd und in die eisig kalte Stube blickend.
Man konnte ihren Atem sehen, der sich als unwirklicher
dünner Dunstnebel vor ihrem Mund kräuselte, nach jedem
gesprochenen Wort sah man diese Erscheinung in der kalten
Stube.
Beschwerlich mit den zerschlissenen Pantoffeln schlurfend,
dann wieder laut aufstampfend, machte sie sich
auf den Weg zur Vorratskammer und griff zum Rahmtopf.
Mit einem erstaunten Blick ins Innere des Steinguttopfes
seufzte sie leise auf und sprach zum Kätzchen: „Weißchen,
das wird knapp, wenn nicht bald jemand den Weg
zu uns hier draußen in den Wald findet! Wir werden bald
hungern müssen oder gar noch an Hunger sterben!"
Das kleine Kätzchen schaute die Alte an – nicht wissend,
welche eventuelle tragischen und schwerwiegenden Folgen
diese Aussage der Alten auch für es selbst haben
könnte.
Das Kätzchen schnurrte unbeirrt weiter um die eiskalten,
von Kälte blau verfärbten Beine der Alten herum. Spielend
sprang und hüpfte es hoch und schaute die Alte unwissend
an.
Wohlwollend bemerkte die Alte das wärmende Gefühl des
kleinen Kätzchens. Immer wieder beugte sie sich mit
schmerzverzerrtem Gesicht zum Kätzchen hinunter und
sprach: „Wir werden es ganz bestimmt schaffen, du wirst
sehen, man hat uns nicht vergessen im Dorf, sie werden
uns freischaufeln und noch rechtzeitig versorgen. Sie werden
uns Nahrungsmittel vorbeibringen! Wir müssen nur
darauf hoffen, Weißchen! Wir wollen hoffen und beten,
mein kleines Weißchen."
Die Wirklichkeit sah jedoch ganz anders aus, das wusste
die Alte nur zu gut!

Weiter geht es im Büchlein ...

© Text und Bilder: Harma-Regina Rieth,

Fischbach(www.harma-regina-rieth.de)

Lektorat: Stefan Vieregg M.A. (vieregg.eu)

Satz und Gestaltung: Günter Hinkelmann

Umschlagbilder: Harma-Regina Rieth

Druck und Bindung: PRINZ-DRUCK Print Media,

Idar-ObersteinPapier: 250 g/qm ColorCopy coated glossy (Umschlag)170 g/qm

ColorCopy coated silk (Inhalt)Printed in Germany

ISBN 978-3-00-047444-6