


K. Dillmann, Januar 2003
Alles - nur nicht die "heile Welt"
Harma Regina Rieth
lockt nicht mit "Blümchenbildern",
sondern mit aktuellen und meist ernsten Themen
Einen zweiten Blick riskieren, erst dann erkennt man, was hinter den Bildern
steckt. Wer sich das nicht traut, ist bei den Bildern von Harma-Regina Rieth
an der falschen Adresse. In ihren Werken thematisiert sie nicht nur blühende
Landschaften, romantische Sonnenuntergänge und fröhliche Menschen.
Sie will das zum Ausdruck bringen, was ihr selbst am Herzen liegt. Wer sich
in ihrem Atelier umschaut, für den kann es ungemütlich werden. An
der einen Stelle begegnet man dem hungernden Kind aus Sarayevo, an einer anderen
den Marionetten einer Führungspersönlichkeit und zum Schluss erahnen
wir den befreienden Schrei eines gefesselten Mannes.
Die Themenpalette reicht von Hunger und Krieg, über Krankheit und Umweltzerstörung
bis hin zu Ängsten und manchmal auch Hoffnung. Mit ihren selbst ausgewählten
Themen passt sie sich keinesfalls an. Sie weckt auf, hält den Spiegel vor,
zerstört die Seifenblasen um uns herum und bildet die Realität in
ausdrucksstarken Formen, Größen und Farben ab.
So zum Beispiel die vier spielenden Kinder im Sandkasten - eigentlich eine nette
Sache. Blickt man etwas genauer hin, muss man erkennen, dass die Kinder nicht
nur hübsche Rüschenkleidchen, sondern auch Gasmasken tragen - Tschernobyl
ist nah, und " trotzdem lernen wir Menschen nichts dazu", sagt sich
die Künstlerin. Die Unbekümmertheit der Kinder scheint durch die Naturkatastrophe
noch nicht "ausgerottet" zu sein, aber ringsum liegt radioaktives
Material, verseuchte Fische, dürre Äste zäunen den Sandkasten,
und zum Atmen bleibt nur schlechte Luft.
Ein anderes Werk der Malerin zeigt die lenkende Hand.
Und wieder sehen wir kein "Harmonie - bedürftiges Bild", denn
die Hand lenkt nicht nur, sie macht vielmehr Marionetten aus den Menschen.
Vom "blutenden Himmel" herab erstreckt sich eine Hand mit roten Fäden.
An jedem einzelnen "baumelt" eine gequälte Kreatur. Ob Kind oder Erwachsener,
Mann oder Frau: das Denken und Handeln wird gesteuert. "Ihr Dasein wird
so oft in Kriegsstrategien mit eingebunden", erklärt die Malerin die
Idee hinter dem Bild. Der Einzelne mit seinen Ängsten wird dabei von den
Strategen vergessen. Zurück bleiben zerstörte Seelen, die wie auch
im Bild nur Gedanken verloren aus dem roten Nichts in eine düstere Zukunft
blicken.
Der "Mann in Schwarz" in einem anderen Bild der Malerin ballt wut-
entbrannt die Fäuste, schreit sich die Seele aus dem Leib und bringt den
eng geschnallten Gürtel zum Zerreißen. Das Bild stellt die Situation
für so manch einen Betrachter so real dar, dass man fast hören kann
wie der zuvor unbefreite Mann schreit. Er hat genug: die Räder der Zeit
sind lange genug gelaufen, ohne dass er etwas getan hat, genug um ihn herum verpestet.
Er hat auch genug von den Menschen, die nur hinterhertraben und keine eigene
Meinung haben.
Das alles sind Bilder, die nicht erst im letzten Jahr entstanden sind. Bereits
im Grundschulalter wurde Harma-Regina Rieth zur jungen Künstlerin. Die
beschriebenen Werke allerdings stammen aus den vergangenen zehn Jahren.
Doch ein Datum brauchen sie meiner Meinung nach nicht. Ihre Beständigkeit
ist auch heute noch gegeben. Denkt man nur an die Unruhe im Irak, das Tankerunglück
vor Spaniens Küste oder das Individuum, das in unruhigen und wirtschaftlich
schwierigen Zeiten am liebsten ausbrechen würde.
Doch denken wir auch daran, dass es immer noch genügend gibt, die - so wie
die Künstlerin - die unschönen Dinge sehen und dagegen angehen, sei
es, indem sie gegen einen möglichen Irak-Krieg protestieren, indem sie öl-
verklebte Vögel am Meeresufer retten oder indem sie einem anderen Menschen
in schwierigen Zeiten zur Seite stehen. Auch die Künstlerin hat schon lange
ihren Weg gefunden. In diesem Sinne geben die Bilder der Fischbacherin Anstoß
zum Nachdenken und machen.
Kerstin Dillmann Idar-Oberstein 2003, Journalistin





